Wasser und Gewässer im Naturhaushalt

Ganzheitliche Betrachtung von Gewässern in der Wasserrahmenrichtlinie
Als Wasserwirtschaftsverband fühlt sich der Ruhrverband in besonderem Maße dem Ressourcenschutz, dem Naturschutz und der Landschaftspflege verbunden und verpflichtet. Durch die Zielvorgabe des „guten chemischen und guten ökologischen Zustands“ für die Oberflächengewässer, die durch die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) eingeführt wurde und derzeit im 2. Bewirtschaftungszyklus auf nationaler und regionaler Ebene umgesetzt wird, kommt zum Ausdruck, dass Wasserwirtschaft nicht nur nutzungsbezogen ausgerichtet ist, sondern auch einer nachhaltigen Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen dient (Flussgebietsmanagement). Mittlerweile ist der 3. Bewirtschaftungsplan samt zugehörigem Maßnahmenprogramm für die Jahre 2022 bis 2027 in Kraft. Ein Entwurf sollte im ersten Halbjahr 2021 als aktive Öffentlichkeitsbeteiligung und Einbeziehung der betroffenen Kreise diskutiert und abgestimmt werden. Die Pandemie-bedingten Vorgaben führten allerdings zu einem eher minimalistischen Format mit deutlichen Einschränkungen. Gleichwohl hat der Ruhrverband die Inhalte und insbesondere die Programmmaßnahmen im eigenen Zuständigkeitsgebiet und deren Konkretisierung mit der Bezirksregierung intensiv diskutiert. Inwieweit die vorgegebene Zielerreichung bis 2027, Transparenz- und Vollplanungsansatz der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) umgesetzt werden können, bleibt weiterhin Gegenstand politischer und fachlicher Diskussionen auf nationaler und europäischer Ebene.

Bedeutung von Gewässern in der Landschaft
Bei der Gewässerbewirtschaftung sind auch Aspekte der Biodiversität, des Natur- und Artenschutzes und der ökosystemaren Funktionen von Belang, da Gewässer im Naturhaushalt eine zentrale Rolle einnehmen. Fließgewässer haben wegen ihrer longitudinalen Ausrichtung darüber hinaus neben der eigenen Habitatfunktion eine wichtige Vernetzungsfunktion für Habitate und Biotope. Sie unterstützen damit den Ansatz eines Biotopverbunds anstelle einzelner, isolierter und damit nur eingeschränkt intakter Lebensräume in besonderem Maße und sind oftmals Schlüsselelemente für Entwicklungs- und Managementaufgaben im Naturschutz. Bei Fließgewässern findet hierzu der „Strahlwirkungsansatz“ (auch „Trittstein-Konzept“ genannt) Anwendung, der vom Ruhrverband maßgeblich mitentwickelt wurde.

Maßnahmen der Gewässerentwicklung
Der Ruhrverband setzt entsprechende Maßnahmen mit dem gesetzlichen Ziel eines „guten ökologischen Zustands“ an den Gewässerabschnitten mit eigener Unterhaltungspflicht um (Gewässerentwicklung). Dabei stellt die hydraulische Leistungsfähigkeit von Gewässern mit Wassermengenbewirtschaftung häufig eine besondere Herausforderung dar. Gilt es doch, durch gezielte Einstellung des Abflusses im Rahmen der Talsperrenbewirtschaftung (Talsperrensteuerung) das Wasserdargebot im Gesamtsystem für die jeweiligen Nutzungen – insbesondere die Trink- und Brauchwassergewinnung im Unterlauf der Ruhr – sicherzustellen. Dabei wird zwangsläufig von den natürlichen Abflussverhältnissen abgewichen, wodurch Auswirkungen auf die Zönosen des Gewässers nicht ausgeschlossen sind. Die veränderte Abflussdynamik hat Einfluss auf ansonsten temporär trockenfallende Bereiche des Gewässerquerschnitts, auf Überflutungen der Aue, auf Geschiebe- und Sedimenthaushalt, auf die eigendynamische Entwicklung der Gewässerstruktur und nicht zuletzt auf die longitudinale Durchgängigkeit des Gewässersystems. In aktuellen Diskussionen zum Niedrigwassermanagement kommt dem Aspekt der Abflussdynamik und Einhaltung von Mindestwasserführungen eine besondere Bedeutung zu – gerade im Hinblick auf die Einhaltung eines guten (chemischen und ökologischen) Zustands der Fließgewässer und der Auswirkungen auf Bereiche und Flächen, die einen hohen Schutzstatus und eine hohe Sensibilität für naturschutzfachliche Belange haben. 

Der Ruhrverband ist aber nicht allein an Gewässerstrecken in eigener Unterhaltung aktiv, sondern unterstützt auch seine Mitglieder bei Planung und Umsetzung von Maßnahmen – von der fachlichen Beratung über die Projektabwicklung bis hin zur Entwicklung eines Gesamtkonzepts für Gewässersysteme. Beispielhaft hervorzuheben sind Projekte wie die Renaturierung des Sprockhöveler Bachs in mehreren Bauabschnitten im Auftrag der Stadt Sprockhövel, die Renaturierung von Unterer Sorpe und Röhr in Kooperation mit der Stadt Sundern sowie die Aktivitäten der Stadt Hattingen am Paasbach. Neben Projekten zur Gewässerentwicklung gilt als Angebot an die kommunalen Mitglieder auch die Übernahme der Gewässerunterhaltung als Kooperationsmodell für Gewässersysteme oder -strecken (Gewässerkooperation). Ein Modell, das neben dem integralen Ansatz für alle Arbeiten rund um das Gewässer auch die gezielte Gewässerentwicklung verfolgt – dies mit einem besonderen Veranlagungsmodell für die (vorwiegend kommunalen) Ruhrverbands-Mitglieder unter möglichst weitgehender Nutzung finanzieller Fördermöglichkeiten. Damit lassen sich Synergien der Siedlungsentwässerung und Wasserwirtschaft mit Stadt- und Landschaftsentwicklung, Hochwasserschutz und Naturschutz effizient nutzen.

Die Landschafts- und die Gewässergestaltung (Gewässerentwicklung, -renaturierung, -vitalisierung) dient insbesondere auch der Etablierung und Förderung von Habitaten für die typgerechte Flora und Fauna in und an den Gewässern. Eine hohe, standortgerechte Biodiversität hat zentrale Bedeutung für die Stabilität von Ökosystemen und den Erhalt der Gewässer als natürlichen Ressourcenschatz. Dies wird unterstützt durch die Bewirtschaftung von rund 3.100 ha Waldflächen des Ruhrverbands im Einzugsgebiet seiner Talsperren (Forstwirtschaft) sowie die Fischwirtschaft zur Erhaltung und Hege eines artenreichen heimischen Fischbestands in den Talsperren sowie Unterstützung fischbiologischer Belange in den Fließgewässern (Fischwirtschaft). Forstwirtschaft und Fischwirtschaft an den Talsperren des Ruhrverbands machen deutlich, dass die Integration ökologischer Zusammenhänge in das wasserwirtschaftliche Handlungsfeld eine ertragreiche, attraktive sowie für alle Belange sinnvolle und zielführende Herangehensweise ist.