Baden in der Ruhr – ein Erfolgsmodell

Ruhrverband und AWWR stellen 44. Ausgabe des Ruhrgüteberichts vor

Der Ruhrverband und die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR) haben am 14. September 2017 in Essen den aktuellen Ruhrgütebericht vorgestellt. Anlässlich der Veröf-fentlichung der mehr als 200 Seiten starken 44. Ausgabe des Berichts sagte Prof. Norbert Jardin, Vorstand Technik des Ruhrverbands: „Die erste Badesaison am Essener Baldeneysee war erfolgreich. Der Bevölkerung wurde ihr Fluss zurückgegeben. Weitere Kommunen entlang der Ruhr zeigen bereits Interesse an eigenen Badestellen.“

Die Badesaison 2017 am Essener Baldeneysee
Am morgigen 15. September endet die erste Badesaison am Essener Baldeneysee. Einschließlich des 8. Septembers 2017 war das Baden gemäß Frühwarnsystem an 47 Tagen erlaubt. Der Ruhrverband hat in der Saison an 78 Tagen Proben an der Badestelle Seaside Beach entnommen und auf ihre hygienische Qualität untersucht. Die Ergebnisse sind erstaunlich positiv: Nur an acht Messtagen wurde der Wert von 1.800 kolonienbildenden Einheiten Escherichia coli pro 100 Milliliter (KBE/100 ml), bei dem ein Badeverbot ausgesprochen werden muss, überschritten. Der Wert von 700 KBE/100 ml für den Parameter Intestinale Enterokokken wurde sogar nur an zwei Tagen überschritten. Das bedeutet: Wäre nur die tatsächlich vorhandene Keimbelastung für das Badeverbot am Baldeneysee ausschlaggebend gewesen, hätte in dieser Saison hochgerechnet an rund 100 Tagen gebadet werden dürfen.

Dass es gemäß Frühwarnsystem trotzdem „nur“ 47 Badetage gab, hat zwei Gründe. Erstens darf die Badestelle nach einer Schließung durch das Frühwarnsystem erst wieder öffnen, wenn das entsprechende Messergebnis vorliegt – und das dauert in der Regel 48 Stunden. Zweitens wurde das Frühwarnsystem zum Schutz der Badegäste mit einem großzügigen Sicherheitspuffer kalibriert. Mit Erfolg: Mehr als 7.700 Menschen haben in dieser Saison das Bad in der Ruhr unbeschwert genossen. Zur weiteren Verbesserung der Vorhersagegenauigkeit des Frühwarnsystems beteiligt sich der Ruhrverband derzeit am Forschungsvorhaben „Flusshygiene“. Ziel ist es, mit Hilfe von zusätzlichen Messeinrichtungen die Quellen der Keimbelastung, beispielsweise die regelgerechten Überläufe aus der Kanalisation nach starken Regenfällen, zu erfassen und in das Frühwarnsystem einzubinden.

Umsetzungsstand der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie
Die Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie, nach denen bis zum Jahr 2027 alle Gewässer in der EU in einem guten ökologischen Zustand sein müssen, waren ein weiteres Thema der Pressekonferenz. In Deutschland ist dies bisher nur bei 6,6 Prozent und im Einzugsgebiet der Ruhr nur bei 20 Prozent der Oberflächengewässer der Fall. Hauptursache für die schlechte Bewertung sind Mängel beim hydromorphologischen Zustand, also bei der Beschaffenheit der Gewässersohle, der Uferstrukturen und der Durchgängigkeit. Im Einzugsgebiet der Ruhr sind bereits viele Maßnahmen zur Verbesserung der Durchgängigkeit sowie der Gewässerstrukturen vorgenommen worden. Positive Beispiele sind die Renaturierung der Ruhr bei Arnsberg sowie der Röhr und Sorpe im Unterlauf der Sorpetalsperre. Um bis 2027 flächendeckend den guten ökologischen Zustand der Gewässer herzustellen, ist die bisherige Umset-zungsgeschwindigkeit in Deutschland allerdings viel zu gering. Zur schnelleren Umsetzung von Maßnahmen bietet der Ruhrverband den gewässerunterhaltungspflichtigen Kommunen seine Hilfe an.

Nitrat – ein deutschlandweit diskutiertes Problem
Nachdem die EU-Kommission Deutschland im April letzten Jahres vor dem Europäischen Ge-richtshof wegen Gewässerverunreinigungen durch Nitrat verklagt hat, wird das Thema deutschlandweit diskutiert. In viele Gebieten Deutschlands, in denen Massentierhaltung oder intensiver Gemüseanbau praktiziert wird, wie z.B. in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und auch am Niederrhein, ist die Grundwasserbelastung durch Nitrat dramatisch. Hier wird nach Ansicht von Fachleuten auch die neue Düngeverordnung allein keine schnelle Abhilfe schaffen. Der Agrarsektor muss insgesamt ökologischer und nachhaltiger ausgerichtet werden. Im Einzugsgebiet der Ruhr gibt es sowohl im Grundwasser als auch in den Flüssen und Seen kein Nitratproblem, da sich weder im Sauerland noch im Ruhrgebiet eine intensive Landwirtschaft etabliert hat. Die Nitratbelastung der Ruhr bei Essen konnte von 1990 bis 2016 durch den Ausbau der Kläranlagen sogar um 47 Prozent gesenkt werden und liegt knapp 80 Prozent unter dem Grenzwert der Oberflächengewässerverordnung.

Zu der guten Gesamtsituation trägt auch die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR) mit ihrer 1992 gegründeten Kooperation mit der Landwirtschaft bei, die sich seither um die Verringerung des Eintrags von Nitrat und Pflanzenbehandlungsmitteln in die Ruhr und ihre Nebenflüsse engagiert. Zur verstärkten Information über eine gewässerschonende Anwendung solcher Stoffe übernimmt die AWWR die Kosten für die Beratung durch drei Fachleute bei den Landwirtschaftskammern Westfalen-Lippe und Rheinland. Dementsprechend gut fallen auch die Nitratwerte im Trinkwasser der AWWR-Mitgliedsunternehmen aus – sie liegen weit unter dem zugelassenen Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter. Die Jahresmittelwerte 2016 bewegten sich zwischen 7 und 15 Milligramm pro Liter. „Ein fantastisches Ergebnis - und das ob der deutschlandweiten Problematik“, so Ulrich Peterwitz, Geschäftsführer der AWWR. Um weiterhin so vorausschauend zu agieren, hat die AWWR die Fördermittel ihrer Kooperation Landwirtschaft 2016 noch erhöht und den Förderkatalog um die verbesserte Lagerung von wassergefährdenden Stoffen erweitert. Die Minderung von Stickstoffeinträgen in die Gewässer und ein gezieltes Düngen stehen weiterhin im Fokus.

Schnelle Qualitätssicherung bei aktuellen Themen
Das AWWR-Monitoring lief auch im Jahr 2016 weiter. Es setzt bei der Überwachung der organischen Spurenstoffe im Oberflächenwasser der Ruhr an, um die Trinkwasserqualität sicherzustellen. Die Ergebnisse zeigten auch dieses Mal, dass die vom Umweltbundesamt festgelegten gesundheitlichen Orientierungswerte in den meisten Fällen bereits im Rohwasser unterschritten wurden. Die AWWR hatte das Untersuchungsspektrum bereits auf 60 Substanzen erweitert. In diesem Jahr gab es aus aktuellem Anlass vorsorglich spontane Sonderuntersuchungen zum Wirkstoff Fipronil, der durch seinen Nachweis in Hühnereiern im August 2017 Schlagzeilen machte. Ulrich Peterwitz zu den aktuellen Ergebnissen dieser präventiven Untersuchung: „Alle Werte sowohl in der Ruhr als auch im Trinkwasser lagen unter der Bestimmungsgrenze und die Wasserwerke an der Ruhr können mit Sicherheit sagen, dass ihr Trinkwasser nicht von diesem Thema betroffen ist.“

Weitergehende Trinkwasseraufbereitung schreitet voran
Um den in der Ruhr vorkommenden organischen Spurenstoffen auch künftig optimal entgegentreten zu können, wird die bisherige naturnahe Wasseraufbereitung in vielen Ruhrwasserwerken aus Vorsorgegründen um zusätzliche technische Verfahrensschritte ergänzt. 2016 wurden zwei weitere Wasserwerke der AWWR-Mitgliedsunternehmen umgebaut bzw. erweitert. Der aktuelle Umsetzungsstand liegt bei ca. 60 % des Gesamtinvestitionsvolumens von rund 300 Mio. €. Jeder Wasserwerksbetreiber entscheidet sich unter Berücksichtigung der vor Ort herrschenden Rahmenbedingungen für ein eigens angepasstes technisches Konzept. Dieses muss jeweils von den Bezirksregierungen Arnsberg oder Düsseldorf genehmigt werden. Die Hochsauerlandwasser GmbH (HSW) nahm im Dezember 2016 den Neubau des Wasserwerks Hennesee in Betrieb. Im Herbst 2017 folgt die Wasserwerke Westfalen GmbH (WWW) mit der Fertigstellung der ergänzten Aufbereitungsstufe im Wasserwerk Witten. Im Wasserwerk Hennesee der HSW durchläuft das Wasser mehrere Stufen – beginnend mit einer Flockung bis zur abschließenden Sicherheitsdesinfektion. Kernstück der neuen Trinkwasseraufbereitung ist eine dreistraßige Ultra-Membranfiltration. Sie hält eventuell vorhandene Viren, Parasiten und Bakterien zurück. Um die empfindlichen Membran-Filter vor dem hohen Druck der Hennetalsperre von bis zu 6 bar zu schützen, wurden spezielle An- und Abfahrvorgänge für das Wasserwerk programmiert. Drei Filter entfernen das zu bestimmten Jahreszeiten im Wasser des Hennesees vorkommende Mangan und die anschließende Aktivkohlestufe sorgt für die Entfernung von Spurenstoffen.

WWW setzt erneut auf die bereits im Wasserwerk Echthausen erfolgreich eingesetzte Kombination aus Ozonung, Flockung, Mehrschichtfiltration und Aktivkohleadsorption (Schwerter Verfahren) mit physikalischen Nachbereitungsschritten. Im Wasserwerk Witten musste nur noch die Aktivkohleadsorption zur Bindung von Spurenstoffen, zum Beispiel Arzneimittelrückständen und Pflanzenschutzmitteln, ergänzt und die Entsäuerung mit Natronlauge auf ein physikalisches Verfahren umgestellt werden. Die ursprüngliche Desinfektion mit Chlordioxid wurde bereits im Vorfeld auf UV-Licht umgestellt. Der Bau des Wasserwerks Hennesee kostete Hochsauerlandwasser um die 6 Mio. €, die Erweiterung des Wasserwerks Witten die Wasserwerke Westfalen rund 14 Mio. €.

Hier können Sie den Ruhrgütebericht 2016 herunterladen.
Hier gibt's die Pressemitteilung als PDF.