Spurenstoffe: Diskussion um kleinste Konzentrationen im Wasser
Spurenstoffe (auch Mikroverunreinigungen, Mikroschadstoffe) sind stoffliche Bestandteile im Wasser, die in sehr geringen Konzentrationen – zumeist im Mikro- und Nanogramm-Bereich (Millionstel und Milliardstel Gramm) – vorkommen. Aktuell werden hierunter vorwiegend organische Stoffe gefasst, wobei es sich um Arzneimittelrückstände (Therapeutika und Diagnostika aus dem Human- und Veterinärbereich), Körperpflegemittel, Industrie- und Haushaltschemikalien, Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel und ähnliche Stoffgruppen handelt. Durch die verbesserte Analytik sind derartige Stoffe, die vor einigen Jahren in diesen Bereichen noch nicht nachweisbar oder bestimmbar waren, nunmehr quantifizierbar.
Die Analytik und insbesondere die Bewertung dieser Stoffe in Wässern in diesen niedrigen Konzentrationen sind ausgesprochen schwierig, zumal eine Risikodiskussion unter Betrachtung sonstiger Expositionspfade und Gefährdungen (über Luft, Nahrung, Kleidung und sonstige Produkte) weitgehend gescheut wird. Sowohl humantoxikologische Kriterien als auch zunehmend ökotoxikologische Aspekte sind hierbei relevant. Es ist inzwischen fachlicher Konsens, dass Spurenstoffe, teilweise auch im Trinkwasser vorkommend, keine humantoxikologische Bedeutung haben. Darüber hinaus spielen allerdings auch grundsätzliche politische, gesellschaftliche und ästhetische Bewertungen sowie das Vorsorgeprinzip eine Rolle.
einer der Auslöser für die teilweise hitzig geführte Debatte um Spurenstoffe im Wasserkreislauf war der Fund von Perfluorierten Tensiden (PFT) in Oberflächen- und Trinkwässern im Ruhreinzugsgebiet bzw. daraus versorgten Regionen im Jahr 2006. Diese entstammten illegal auf landwirtschaftliche Flächen aufgebrachten sogenannten „Bioabfallgemischen“. Mit dem Programm „Reine Ruhr“ des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums ist daraufhin eine mittel- und langfristige Strategie zur Problematik der Spurenstoffe entwickelt worden, welche auf verschiedenen Ebenen diskutiert wird (https://www.umwelt.nrw.de/fileadmin/redaktion/Broschueren/Broschuere_NRW_ReineRuhr.pdf). Auf Bundesebene sind in ähnlicher Form strategische Ansätze erarbeitet worden, die derzeit weiter evaluiert, konkretisiert und umgesetzt bzw. erprobt werden (https://www.dialog-spurenstoffstrategie.de/spurenstoffe/index.php). Auch im Zuge der Aufstellung des Maßnahmenprogramms zum 3. Bewirtschaftungszyklus (Bewirtschaftungsplan) wird das Thema vor dem Hintergrund des möglichen Einflusses von Spurenstoffen auf den ökologischen Zustand erneut diskutiert (EG-WRRL). Hier besteht weiterhin Klärungs- und Forschungsbedarf. Die Diskussion ist nicht rein natur- oder ingenieurwissenschaftlich zu führen, sondern berührt auch andere Disziplinen. So sind neben der Chemikalienpolitik auch gesellschafts- und industriepolitische Aspekte zu berücksichtigen, die etwa Verursacherprinzip und Herstellerverantwortung umfassen.
Trotz verschiedener Eintragspfade dieser Stoffe in die Gewässer und kritischer Bewertung der Maßnahmeneffizienz zielt die Diskussion in der Politik und teilweise auch in der Fachwelt derzeit auf die Einführung von Verfahren zur weitergehenden Elimination von Spurenstoffen bei der kommunalen Abwasserreinigung (sogenannte „Vierte Reinigungsstufe“). Dabei sind durchaus Möglichkeiten für Maßnahmen an der Quelle als Vermeidungsansatz sinnvoll und machbar. Dies wurde auch durch öffentlich geförderte Projekte unter Beteiligung des Ruhrverbands systematisch untersucht und bestätigt (https://machts-klar.de/; https://merkmal-ruhr.de/). Der Ruhrverband hat sich hierzu bereits früh kritisch positioniert, sieht aber trotzdem die Notwendigkeit, eigene Erfahrungen mit solchen Verfahren unter praktischen Betriebsbedingungen zu gewinnen. Mit finanzieller Unterstützung des Umweltministeriums Nordrhein-Westfalen wurde eine großtechnische Versuchsanlage auf der Kläranlage Schwerte geplant, gebaut und wurden dort mit mehreren Projektpartnern aus Hochschulen und Praxis entsprechende Forschungs- und Entwicklungsvorhaben – ebenfalls mit finanzieller Unterstützung des Umweltministeriums Nordrhein-Westfalen – durchgeführt. Dabei ging es neben technischen Fragen auch um die Kostenauswirkungen solcher Verfahren auf die Gebührensituation der Bürgerinnen und Bürger sowie für Industrie und Gewerbe. Auf der großtechnischen Versuchskläranlage Schwerte kommen sowohl die Oxidation mit Ozon als auch die Adsorption mit Pulveraktivkohle zum Einsatz. Beide Methoden sind mit dem beim Ruhrverband entwickelten Verfahren der „dynamischen Rezirkulation“ sehr weitgehend in die Verfahrensstufen der konventionellen kommunalen Kläranlage integriert. Dabei ist von Vorteil, dass keine zusätzlichen Verfahrensstufen wie Sedimentationsbecken, Filtrationsstufen oder Nachbehandlungseinheiten zur Entfernung von Transformationsprodukten beim Einsatz von Ozon erforderlich sind. Die Ergebnisse zeigen, dass die Elimination der Spurenstoffe sowohl bei der Oxidation als auch bei der Adsorption stark stoffspezifisch und dosierabhängig ist.
Die ersten Arbeiten dienten der Untersuchung des neuen Verfahrens und Erfahrungssammlung in der Praxis für Planung, Genehmigung, Bau, Inbetriebnahme, Optimierung und Betrieb der weitergehenden Verfahren. Sie waren eingebunden in den Themenschwerpunkt „Elimination von Arzneimitteln und organischen Spurenstoffen: Entwicklung von Konzeptionen und innovativen, kostengünstigen Reinigungsverfahren“ des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums.Die Erkenntnisse finden aktuell Anwendung in der Errichtung einer Aktivkohledosierung und Filtrationsstufe auf der Kläranlage Brilon mit voraussichtlicher Inbetriebnahme gegen Ende des Jahres 2023.
Die Einrichtungen der großtechnischen Versuchsanlage auf der Kläranlage Schwerte wurden und werden für weitere Untersuchungen genutzt – u. a. zur Möglichkeit des Einsatzes von gebrauchter Pulveraktivkohle aus Wasserwerken für die Abwasserbehandlung. Derzeit laufen Untersuchungen zu den Auswirkungen von konventionell und weitergehend behandeltem Abwasser auf die Biozönose von Fließgewässern. Das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderte Projekt vergleicht in einer Versuchsanlage auf der Kläranlage Schwerte die Auswirkungen unterschiedlich gereinigter Abwässer auf die Makrozoobenthos-Zönose eines Gewässers. Dabei kommen konventionell gereinigtes, weitergehend mit Ozon behandeltes und Flusswasser zum Einsatz, um über das Verhalten der Organismen und die Analyse von etablierten Biomarkern zur Indikation deren Energie- und Stresszustands Rückschlüsse auf die Effekte der Abwasserreinigung auf den ökologischen Zustand eines Fließgewässers abzuleiten. Die verschiedenen Wässer, denen die Organismen ausgesetzt sind, werden auf der Kläranlage Schwerte zur Verfügung gestellt. Die Universität Duisburg-Essen, Abteilung Aquatische Ökologie, führt die Untersuchungen zu den Makrozoobenthosorganismen durch (http://www.nrw-futurewater.de/index.php/oekotoxikologische-effekte-von-mikroschadstoffen.html).