Abflussjahr 2023 war gemeinsam mit 2022 das wärmste seit Aufzeichnungsbeginn

Erstmals seit 2009 fiel wieder mehr Niederschlag als im langjährigen Mittel

Im vorherigen Abflussjahr 2022 hatte die Jahresmitteltemperatur im Ruhreinzugsgebiet erstmals seit Aufzeichnungsbeginn die magische 10-Grad-Marke geknackt, nun hat das folgende Abflussjahr 2023 (1. November 2022 bis 31. Oktober 2023) gleichgezogen: Mit 10,1 Grad war es erneut um 1,2 Grad wärmer als der langjährige Mittelwert der Zeitreihe 1991 bis 2020. Die Abflussjahre 2022 und 2023 sind damit die beiden wärmsten seit 1881. Das haben die Auswertungen des Ruhrverbands ergeben.

Dass 2023 trotz dieser hohen Jahresmitteltemperatur wohl vielen nicht als besonders warm in Erinnerung geblieben ist, liegt daran, dass ausgerechnet die Hochsommermonate Juli und August sowie der Wonnemonat Mai im Vergleich zu den vergangenen drei Jahrzehnten eher durchschnittlich waren (um 0,1 bzw. 0,2 Grad zu kalt). Der Juni hingegen war der drittwärmste seit 1881 und der September sogar der wärmste, der je gemessen wurde.

Der Juli und der August 2023 waren jedoch nicht nur mäßig warm, sondern auch überdurchschnittlich nass, was den wenig sommerlichen Eindruck zusätzlich verstärkte. Mit 279 Millimetern fiel in diesen beiden Monaten so viel Niederschlag wie zuletzt im ebenfalls sehr nassen Sommer 2007. Auch andere Monate im Abflussjahr 2023 waren sehr nass, so etwa der März mit fast dem Doppelten des langjährigen Mittels.

Insgesamt fielen im Abflussjahr 1.246 Millimeter Niederschlag, das sind fast 20 Prozent mehr als in einem durchschnittlichen Jahr und sogar rund 40 Prozent mehr als im Vorjahr (882 Millimeter). Damit endete die von 2009 bis 2022 andauernde ununterbrochene Abfolge von Abflussjahren, in denen es jeweils weniger geregnet hatte als im langjährigen Mittel. Der Niederschlagsüberschuss aus dem Abflussjahr 2023 gleicht in etwa das Niederschlagsdefizit des Vorjahres 2022 aus, doch das aufsummierte Defizit der Abflussjahre seit 2009 ist trotzdem immer noch erheblich: Es fehlt rein rechnerisch mehr als ein kompletter Jahresniederschlag (1.048 mm) im Einzugsgebiet der Ruhr.

Weil es 2022 so wenig geregnet hatte, galten auch zu Beginn des Abflussjahres 2023 noch reduzierte Grenzwerte für die Einhaltung der Mindestabflüsse in der Ruhr. Diese befristeten Reduzierungen hat der Ruhrverband in den vergangenen Jahren immer wieder bei den Aufsichtsbehörden beantragen müssen, um die Wasservorräte im Talsperrensystem zu schonen. Nach Auslaufen der Genehmigungen am 30. November bzw. 31. Dezember 2022 musste wegen der zwischenzeitlich ausreichend gefallenen Niederschläge keine erneute Verlängerung beantragt werden, und auch im weiteren Verlauf des überdurchschnittlich nassen Abflussjahres 2023 war kein neuer Antrag auf Grenzwertreduzierung nötig.

Zu Beginn des Abflussjahres 2023, d.h. am 1. November 2022, lag der Gesamtstauinhalt aller Talsperren im Ruhreinzugsgebiet aufgrund der Beanspruchung aus den vorangegangenen Monaten mit 310,2 Mio. m3 (66 Prozent vom Vollstau) um knapp 7 Prozent unter dem langjährigen Mittel für die Jahreszeit und erreichte Mitte November mit 303,7 Mio. m3 (64 Prozent vom Vollstau) den niedrigsten Wert im Abflussjahr. Der höchste Wert wurde, unter anderem als Folge der reichhaltigen Niederschläge im März, am 4. April 2023 mit 455,5 Mio. m3 (96 Prozent vom Vollstau) erreicht. Das Abflussjahr endete am 31. Oktober 2023 mit einem Gesamtstauinhalt von 386,3 Mio. m3 (82 Prozent vom Vollstau), das sind gut 16 Prozent mehr als für die Jahreszeit üblich.

Der Schwerpunkt der Zuschusspflicht lag wie in allen Jahren seit Inkrafttreten des Ruhrverbandsgesetzes (RuhrVG) im Jahre 1990 im Bereich der mittleren Ruhr in Villigst. Nach vorläufigen Berechnungen war in Villigst an 68 Tagen und an der Mündung an 33 Tagen Zuschuss zur Einhaltung der Mindestabflüsse erforderlich. Zum Vergleich: Im erheblich trockeneren Abflussjahr 2022 hatte an 164 Tagen in Villigst und 90 Tagen an der Mündung Zuschusspflicht bestanden.

Abflussjahre (auch hydrologische Jahre oder Wasserwirtschaftsjahre genannt) weichen von den Kalenderjahren ab, damit in der Jahresbilanz auch Niederschläge in Form von Schnee und Eis, die bereits im Frühwinter fallen, erfasst werden können. Sie werden nämlich erst im folgenden Kalenderjahr als Schmelzwasser abflusswirksam. In Deutschland legt eine DIN-Norm das Abflussjahr jeweils vom 1. November bis zum 31. Oktober fest, weil die Wasserreserven Ende Oktober erfahrungsgemäß am geringsten sind.

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