Der Kemnader See im Städtedreieck Bochum/Witten/Hattingen wird 40 Jahre alt

Bau des jüngsten Ruhrstausees dauerte über drei Jahre und kostete 124 Millionen D-Mark

Das Stauwehr mit den beiden ersten eingehängten Wehrklappen im Oktober 1977.

Der Kemnader See im September 1980, rund ein Jahr nach seinem Einstau. Vorn im Bild der Zufluss des Ölbachs.

Bochums Oberbürgermeister Heinz Eikelbeck beim feierlichen Einheben der ersten Wehrklappen am 8. Juni 1977.

Der Kemnader See, der jüngste der fünf Stauseen des Ruhrverbands, wird in den kommenden Tagen 40 Jahre alt. Am 1. September 1979 fand die feierliche Eröffnung der Stauanlage statt, unter anderem in Anwesenheit des damaligen NRW-Innenministers Burkhard Hirsch und des Arnsberger Regierungs-präsidenten Richard Grünschläger, der den See als „neue Perle im Ruhrtal“ lobte. Offiziell an die Bevölkerung übergeben wurde das Areal mit seiner 125 Hektar großen Wasserfläche zwar erst ein Jahr später – im September 1980 – im Rahmen eines (übrigens völlig verregneten) Volksfestes, doch bis dahin hatten die Bewohnerinnen und Bewohner der umliegenden Städte „ihren“ See längst in Beschlag genommen.

Das war auch die erklärte Absicht, denn anders als die übrigen Stauseen an der unteren Ruhr war der Kemnader See direkt als Freizeit- und Erholungsanlage konzipiert worden. Beim Bau des Hengsteysees (eingestaut 1928), des Harkortsees (eingestaut 1931), des Baldeneysees (eingestaut 1933) und des Kettwiger Sees (eingestaut 1950) hatte noch die Funktion als „Flusskläranlage“ im Vordergrund gestanden: Durch den verbreiterten Flusslauf und die damit verbundene geringere Fließgeschwindigkeit konnten sich Schmutzstoffe, die die in den 1920er und 1930er Jahren noch massiv belastete Ruhr mit sich führte, besser am Boden absetzen. Außerdem verstärkte die größere Wasseroberfläche die Sonneneinstrahlung und Windbewegung, was ebenfalls für die biologischen Abbauprozesse vorteilhaft war. Diese Idee hatte der international renommierte Abwasserpionier Dr. Karl Imhoff, damals Geschäftsführer des Ruhrverbands, entwickelt und umgesetzt.

Nach Imhoffs Plänen sollte ursprünglich sogar eine Kette von insgesamt acht Stauseen die Wasserqualität der Ruhr zwischen der Lennemündung und Mülheim verbessern. Für Bochum war der Bau eines „Herbeder Sees“ zwischen den damals noch eigenständigen Gemeinden Herbede (heute Witten) sowie Querenburg und Stiepel (heute Bochum) vorgesehen. Das Projekt wurde allerdings zunächst wegen der schlechten Wirtschaftslage Anfang der 1930er Jahre zurückgestellt und scheiterte schließlich am Widerstand zweier benachbarter Zechen und eines Stahlwerks, die negative Auswirkungen auf ihre
Wasserhaltung bzw. ihr Wasserrecht befürchteten.

Erst nach dem Bau der Ruhr-Universität Bochum, der ersten neu gegründeten Universität in der Bundesrepublik Deutschland, wurden die Planungen für einen Stausee oberhalb des mittelalterlichen Wasserschlosses Haus Kemnade wieder aufgenommen. Der erste Spatenstich erfolgte im Mai 1976. Zunächst wurde das Seebecken ausgebaggert, das später mehr als drei Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen sollte. Das eigentliche Absperrbauwerk des Stausees bildet ein 100 Meter langes Wehr mit vier Wehrklappen, von denen jede rund 50 Tonnen wiegt. Die ersten beiden Wehrklappen wurde im Juni 1977 eingehoben und von Bochums Oberbürgermeister Heinz Eikelbeck mit einer Flasche Sekt „getauft“, die letzte folgte im August 1978. Anschließend konnte der See auf einer Länge von drei Kilometern und einer Breite von über 400 Metern aufgestaut und am 1. September 1979 feierlich eröffnet werden. Die Errichtung des Stausees kostete in der mehr als dreijährigen Bauzeit rund 124 Millionen D-Mark.

Von seiner Attraktivität als Naherholungsgebiet hat der Kemnader See bis heute nichts eingebüßt, was nicht zuletzt auch an den zahlreichen Freizeiteinrichtungen an den Ufern und in der näheren Umgebung liegt. Seit den frühen 2000er Jahren wird der Wassersport in den Sommermonaten zwar durch die starke Verbreitung der Wasserpflanze Elodea nuttallii beeinträchtigt, doch der Ruhrverband tut mithilfe des Mähboots „Manati“ sein Möglichstes, damit die ansässigen Vereine und Privatleute trotzdem weiter ihrem sportlichen Vergnügen nachgehen können. Weit über die Region hinaus bekannt ist das „Zeltfestival Ruhr“, für das seit 2008 jedes Jahr im Herbst eigens eine rund 25.000 Quadratmeter große Zeltstadt am Seeufer aufgebaut wird. Mehr als zwei Wochen lang findet dann ein reichhaltiges Musik- und Comedyprogramm auf verschiedenen Bühnen statt.

Die Wege rund um den Kemnader See erfreuen sich so großer Beliebtheit, dass im Jahr 2014 zu den beiden bereits bestehenden Trassen (einem Rad- und einem Fußweg) eine dritte Spur speziell für Inlineskates eingerichtet wurde. An der Wehranlage selbst fand der letzte große Umbau in den Jahren 2010 und 2011 statt, als der Kemnader See als letzter der fünf Ruhrstauseen eine Wasserkraftanlage erhielt. Sie versorgt umgerechnet rund 1.200 Haushalte pro Jahr mit Strom und spart im Vergleich zur Kohleverstromung mehr als 2.000 Tonnen CO2 pro Jahr ein.

PDF-Download