Baden in der Ruhr dank verbesserter Wasserqualität möglich

Ruhrverband und AWWR stellen 43. Ausgabe des Ruhrgüteberichts vor

Prof. Norbert Jardin, Vorstand Technik des Ruhrverbands (l.), und Roland Rüther, stellvertretender Vorsitzender der AWWR (r.), bei der Vorstellung des Ruhrgüteberichts. (bei Verwendung bitte Quellenvermerk „Ruhrverband“ angeben):

Der Ruhrverband und die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR) haben am 5. Oktober 2016 in Essen den aktuellen Ruhrgütebericht vorgestellt. Anlässlich der Veröffentlichung der mehr als 200 Seiten starken 43. Ausgabe des Berichts sagte Prof. Norbert Jardin, Vorstand Technik des Ruhrverbands: „Die hervorragende Wasserqualität der Ruhr zeigt sich insbesondere in den seit vielen Jahren zurückgehenden Konzentrationen der organischen Substanzen, der Nährstoffe Stickstoff und Phosphor und der verbesserten hygienischen Situation. Diese Entwicklung schafft die Grundlage, nach über 40 Jahren wieder eine Badestelle am Baldeneysee einzurichten.“

Baden in der Ruhr – ein lange gehegter Wunsch geht in Erfüllung
Nach Messungen des Ruhrverbands in den Jahren 2014 und 2015 ist die hygienische Wasserqualität an der geplanten Badestelle „Seaside Beach“ am Baldeneysee an trockenen Sommertagen gut. Allerdings kommt es bei starken Regenereignissen zu einer Verschlechterung der hygienischen Situation, so dass ein vorübergehendes Badeverbot erforderlich gewesen wäre.

Eine Voraussetzung für das Baden in der Ruhr ist das im Forschungsprojekt „Sichere Ruhr“ erarbeitete Frühwarnsystem für kurzzeitige hygienische Verschmutzungen, das anhand der aktuellen Messungen weiter entwickelt und kalibriert wurde. Mit ihm können Schwankungen der Wasserqualität anhand von Regenereignissen sowie Pegeldaten der Ruhr vorhergesagt und tagesaktuelle Aussagen zur Badewasserqualität getroffen werden. Auf deren Basis kann die Badestelle vom Betreiber geöffnet oder geschlossen werden. Wäre dieses Frühwarnsystem bereits im vergleichsweise trockenen Sommer 2015 genutzt worden, so hätte an 50 Tagen gebadet werden können. Die Stadt Essen wird damit 2017 als erste Großstadt in Deutschland eine rechtskonforme Badestelle in einem natürlichen Fließgewässer umsetzen können.

Das Frühwarnsystem lässt sich grundsätzlich auf andere Bereiche der Ruhr übertragen. Allerdings kann die hygienische Qualität des Ruhrwassers aufgrund der örtlichen Gegebenheiten schwanken, daher müssten Betreiber potentieller Badestellen vorab zur Anpassung des Frühwarnsystems in mindestens zwei Badesaisons regelmäßige Messungen veranlassen. Weitere Hinweise zur Zulassung von Flussbadestellen gibt der im Forschungsprojekt „Sichere Ruhr“ erarbeitete „Leitfaden Flussbaden“.

Wasserpflanzen in den Ruhrstauseen
Der Wassersport auf den Ruhrstauseen wird in den letzten zehn Jahren durch Wasserpflanzen zunehmend eingeschränkt. Grund dieses Naturphänomens ist die verbesserte Wasserqualität und die damit einhergehende geringe Trübung des Seewassers durch vermindertes Algenwachstum. Gemäß Gewässertypisierung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie sind ausgedehnte Pflanzenbestände, die an vielen Seen in Deutschland auftreten, charakteristisch für na-türliche oder künstliche Flachseen.

Im Essener Baldeneysee war der Seegrund in diesem Jahr zu rund 40 Prozent mit Pflanzen bewachsen. Der 60-tägige Einsatz des Mähbootes, davon elf Tage im Zweischichtbetrieb, kostete 120.000 Euro und führte trotzdem für die Wassersporttreibenden nicht zu befriedigenden Ergebnissen. Die Gründe sind vielfältig:

  • für eine effektive Mahd müssen die Wasserpflanze die Seeoberfläche erreicht haben,
  • einige Pflanzen wie der Igelkoben können kaum oder gar nicht gemäht werden,
  • die überwiegend starke Sonneinstrahlung begünstigte ein rasantes Wachstum der Pflanzen,
  • die Kapazität des ruhrverbandseigenen Mähbootes mit einer Mähleistung von 0,5 Hektar pro Schicht reicht nicht aus, um den 264 Hektar großen Baldeneysee auch nur annähernd pflanzenfrei zu halten.

Die Organisation, Optimierung und insbesondere die Finanzierung einer intensivierten Mahd in der Wassersportsaison 2017 wird noch in diesem Jahr mit der Stadt Essen und den Wassersportvereinen erörtert. Parallel ist beabsichtigt, für ein Untersuchungsvorhaben, in dem es um nachhaltige Maßnahmen zur Reduktion der Wasserpflanzen gehen soll, finanzielle Unterstützung seitens des Landes NRW einzuwerben. Ein Teil des Vorhabens soll sich mit der Bekämpfung der fädigen, auf der Wasseroberfläche schwimmenden Grünalgen durch Ultraschall und aktivierte Mikroorganismen befassen. In einem weiteren Untersuchungspaket geht es um das Sediment. Auf einer Versuchsfläche werden die mechanische Bearbeitung, die Umlagerung und der Entzug der Nährstoffe durch Fixierung des Phosphatdepots im Sediment erprobt. Auf einer weiteren Versuchsfläche sollen Wasserpflanzen mit geringer Wuchshöhe wie die Armleuchteralge gepflanzt werden, um den Seegrund zu beschatten und so hochwüchsigen Wasserpflanzen das Licht zu entziehen. Allerdings werden diese Maßnahmen, auch wenn sie sich bei den Tests als Erfolg versprechend erweisen sollten, erst auf lange Sicht zu verbesserten Verhältnissen für die Wassersportler führen.

Qualitätssicherung des Trinkwassers
Im Jahr 2015 wurde das Monitoring der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR), das zur Sicherung der Trinkwasserqualität bereits bei der Überwachung der organischen Spurenstoffe im Oberflächenwasser der Ruhr ansetzt, fortgeführt. Das Untersuchungsspektrum wurde erweitert, und zwar von 42 auf 60 Substanzen. Es zeigte sich, dass die vom Umweltbundesamt festgelegten gesundheitlichen Orientierungswerte (GOW) in den meisten Fällen bereits im Rohwasser unterschritten werden. Dies trifft auch auf den in letzter Zeit stark kontrovers diskutierten Spurenstoff Glyphosat zu. Als Hauptkomponente von Breitbandherbiziden ist Glyphosat umstritten, da das Mittel in Verdacht steht, das Krebsrisiko zu erhöhen. Trotzdem ist es weiterhin der weltweit am häufigsten in Landwirtschaft, Gartenbau, Industrie und Privathaushalten eingesetzte Unkrautvernichter. „Glyphosat wird in der Wasseraufbereitung der Ruhrwasserwerke vollständig eliminiert, so dass der Stoff für das Trinkwasser kein Problem darstellt“, versichert Roland Rüther, stellvertretender Vorsitzender der AWWR.

Weitergehende Aufbereitung in Wasserwerken
Aus Vorsorgegründen wird die bestehende Wasseraufbereitung in vielen Ruhrwasserwerken um weitere technische Verfahren ergänzt, damit eventuellen Gefährdungen durch organische Spurenstoffe oder unerwünschte Mikroorganismen noch besser entgegengewirkt werden kann. Erste Wasserwerke wurden bereits umgebaut bzw. erweitert. Bislang wurden rund 150 Millionen Euro investiert.

Auf Basis der örtlichen Rahmenbedingungen entscheidet sich jeder Wasserwerksbetreiber für ein eigens angepasstes technisches Konzept, das von den Aufsichtsbehörden genehmigt werden muss. Die jüngst umgesetzten Maßnahmen zur „weitergehenden Wasseraufbereitung“ fanden im Verbundwasserwerk Essen-Überruhr der Wassergewinnung Essen GmbH und im Wasserwerk Echthausen der Wasserwerke Westfalen GmbH statt.

In diesen Wasserwerken wurde jeweils eine individuelle Kombination aus Ozonung, Flockung, Mehrschichtfiltration und Aktivkohleadsorption umgesetzt. Im Zuge der Errichtung der weitergehenden Aufbereitungsstufen wurde die abschließende Entsäuerung auf ein physikalisches Verfahren sowie die ursprüngliche Desinfektion mit Chlordioxid auf UV-Licht umgestellt. Die Investitionshöhe lag in Essen bei 56 Millionen Euro und in Echthausen bei 21 Millionen Euro.