Fischlifte könnten am Baldeneysee für ökologische Durchgängigkeit sorgen

Neuartige Aufstiegsanlage hat Pilotcharakter – umfangreiche Voruntersuchungen notwendig

Der Ruhrverband beginnt im Spätherbst mit weiteren umfangreichen Voruntersuchungen für eine Fischaufstiegsanlage, die am Wehr des Baldeneysees in Essen entstehen könnte. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse ist dabei statt einer herkömmlichen Fischtreppe auch ein neuartiges Liftsystem eine mögliche Variante, mit dessen Hilfe Hechte, Lachse, Barben und zahlreiche weitere Fischarten die rund neun Meter vom Unterlauf der Ruhr zum Baldeneysee überwinden und damit weiter flussaufwärts wandern können.


Damit entspricht der Ruhrverband den strengen Vorgaben der europäischen Wasserrahmenrichtlinie, gemäß derer unsere Gewässer bis 2027 einen guten ökologischen Zustand erreicht haben müssen und das Wehr Baldeney für die aquatische Fauna durchgängig sein muss. Doch warum fordert die Europäische Union überhaupt, dass Fische ungehindert wandern können? Fischwanderungen sind keine zufälligen Ortswechsel, sondern dienen abhängig von biologischen Einflussfaktoren wie steigenden Wasserabflüssen, Wassertemperatur, Lichtverhältnissen, Mondphasen, Hormonen oder auch der „inneren Uhr“ der Tiere. Fische wandern, um Laich abzulegen, um Nahrung zu finden, um Winterruheplätze aufzusuchen oder um zwischen den Lebensräumen verschiedener Lebensphasen hin- und herzuwechseln. Nur wenn diese artenspezifischen Bedürfnisse erfüllt sind, hat die Art eine Überlebenschance. Die Wiederherstellung der Durchgängigkeit sichert daher die Vielfalt der Arten im Gewässer und bewahrt so die heimischen Flüsse als ökologische Ressource für zukünftige Generationen.


Nach derzeitigen Planungen würde der Fischlift aus einer zylinderförmigen, senkrechten Röhre, in der – ähnlich wie in einer Schleusenkammer – der Wasserstand zwischen Ober- und Unterwasser durch Befüllen bzw. Entleeren ausgeglichen wird, bestehen. Der Liftkorb bewegt sich dabei mit und befördert die Fische wie in einem Fahrstuhl nach oben. Damit wanderwillige Fische stets einen „freien“ Lift vorfinden, würden am Baldeneysee zwei Fischlifte alternierend betrieben werden. Das Land NRW unterstützt die Entwicklung und Testversuche des Liftsystems, das auch für andere Fischaufstiege Pilotcharakter haben könnte, mit rund 250.000 Euro. Insgesamt würde die Maßnahme voraussichtlich rund zwei Millionen Euro kosten. Das wäre weniger als die Hälfte dessen, was für andere ebenfalls diskutierte, konventionelle Varianten wie Vertical-Slot-Pass oder naturnahes Umgehungsgerinne veranschlagt worden ist.

Der Ruhrverband muss nun, unterstützt von einer Expertengruppe aus Vertretern des nordrheinwestfälischen Umweltministeriums, des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz, der Bezirksregierung Düsseldorf, des Landesfischereiverbandes Westfalen und Lippe e.V., der Ruhrfischereigenossenschaft, der RWE und weiteren Fachleuten für Fischereibiologie und Wasserbau, in einem mehrstufigen Testverfahren den Nachweis erbringen, dass der Fischlift unter den am Baldeneyer Wehr herrschenden Bedingungen funktionieren wird.

Da sich Fische bei ihren Wanderbewegungen fast ausschließlich an den so genannten Leitströmungen orientieren, muss zuerst die Position einer Fischaufstiegsanlage sorgfältig geplant werden, um den Fischen ein Auffinden ohne Zeitverzögerung zu ermöglichen. Hierzu wurden bereits aufwändige Untersuchungen zu den Strömungsverhältnissen und dem Fischverhalten unterhalb der Wehranlage durchgeführt. Mit dem Ergebnis, dass das Liftsystem günstigerweise am Rückpumpwerk platziert werden sollte.

Als nächstes werden in Computermodellen die Strömungsverhältnisse im Detail simuliert, um die genaue Konstruktion des Fischlifts entwerfen zu können. Anschließend sollen Strömungsversuche am 1:4-Modell und schließlich Tests im Realmaßstab mit lebenden Fischen die Funktionstüchtigkeit dieses neuartigen Systems belegen. Falls diese Untersuchungen die gewünschten Ergebnisse liefern, könnte der Fischlift am Baldeneysee nach heutigem Zeitplan im Jahr 2017 in Betrieb gehen. Falls dies nicht der Fall ist, müsste auf eine weit teurere konventionelle Lösung wie z.B. einen Vertical-Slot-Pass zurückgegriffen werden.

Download als PDF-Datei